Netzneutralität – 5 Minuten: Bedeutung und Bedrohung

t Was heisst eigentlich „Netzneutralität“? Was bringt sie uns? Wer gefährdet sie und welche Konsequenzen hätte eine Abschaffung für freies Wissen und uneingeschränkten Zugriff auf Informationen?

 

Wenn man mich fragen würde, wie ich das Internet jemandem erkläre, der noch nie etwas davon gehört hätte, dann würde ich mich wahrscheinlich wie folgt ausdrücken: „Das Internet ist ein globales Geflecht von digital gespeicherten Informationen und Medien. Es gibt Informationsanbieter, die Daten oder Medien bereitstellen und es gibt diejenigen, die auf die bereitgestellten Daten zugreifen. Jeder Mensch mit Zugang zu diesem Informationsgeflecht, kann selber Anbieter, Abrufer oder beides sein. Diese Eigenschaft macht das Internet zu einer Quelle für Bildung, Innovation, Kollaboration und um politisch zu werden auch für Demokratie.
Im Internet gibt es keine Kontrollgremien, die eine Richtigkeit des Inhalts von Informationen kontrollieren. Deshalb ist es zwar nicht immer verlässlich sich auf einzelne Quellen zu verlassen, doch der Umgang mit dieser Tatsache schult die Nutzer sich kritisch mit Meinungen und Medien auseinanderzusetzen – egal ob im Internet, im Beruf, während der Nachrichten oder im privaten Umfeld.“

Ich habe den technischen Teil absichtlich weggelassen, sonst liest hier nämlich keiner weiter (wer Bock auf Technik hat, guckt bei Wikipedia).

Wikipedia ist ein super Beispiel für das, was ich eine Bildungsquelle nenne. Jeder Nutzer hat uneingeschränkten Zugriff auf Informationen zu nahezu jeder Thematik. Manche verdanken diesem Portal ihre Schul- und Hochschulabschlüsse.

Selbstverständlich gibt es auch andere Angebote: Pornoseiten (Schätzungen besagen, dass 80% des Internets einen pornografischen Hintergrund haben), Seiten mit lustigen Katzenbildern, Browserspiele, Online-Videotheken, usw.

Was ist denn nun Netzneutralität?

Über die Produktivität der einzelnen Dienste im Vergleich untereinander, lässt sich zweifelsohne streiten. Aber so ist es nun mal, wenn man ein Medium nutzt, in dem jeder Inhalte anbieten kann. Genau das macht die Vielfalt und die Unabhängigkeit von einseitigen Meinungen aus.

Ich greife zur bildlicheren Darstellung jetzt auf kleine Skizzen zurück. Fragt Euch bitte bei jeder Illustration, welchen Weg die meisten Internetnutzer wohl gehen würden; die ausgebaute Autobahn oder den langsamen Kopfsteinpflasterweg.

Das Internet wie es sein sollte. Alle Inhalte für jedermann gleichermaßen zugänglich.
Das Internet wie es sein sollte. Alle Inhalte für jedermann gleichermaßen zugänglich.

Was gefährdet die Netzneutralität?

Einen Eingriff in die Netzneutralität stellt nicht nur das Löschen oder Unzugänglichmachen bestimmter Inhalte dar, sondern auch das Manipulieren der Zugangsmöglichkeit, eine Priorisierung oder Behinderung bestimmter Daten.
Dies kann auf vielfältigem Wege geschehen, zum Beispiel in dem Verbindungen zu bestimmten Diensten oder Seiten beschleunigt oder entschleunigt werden.

In diesem Beispiel sind Google und Wikipedia den anderen Webangeboten bevorzugt.
In diesem Beispiel sind Google und Wikipedia den anderen Webangeboten bevorzugt.

Was zunächst vielleicht noch nicht so schlimm erscheint, wenn wir Katzenbilder nur langsamer laden dürfen, entpuppt sich schnell als großes Risiko, denn wir fangen hier an zu priorisieren. Wir stellen Google über Katzenbilder und Pornos. Das ist vielleicht auch garnicht abwägig, aber mit steigender Komplexität der Themen und Kategorien die wir erstellen wollen, wird schnell klar, dass wohl kaum ein Individuum oder eine Instanz in der Lage sein dürfte, das Internet fehlerfrei zu kategorisieren und dabei unabhängig zu bleiben.

Im April 2013 macht die deutsche Telekom Schlagzeilen. Mit dem Ende der klassischen Flatrate will das Unternehmen Volumenbegrenzungen einführen. Beispielsweise darf man im Monat 20 GB Daten senden und empfangen, danach wird der Internetanschluss gedrosselt. Abgesehen davon, dass man in Bonn wohl noch nicht bemerkt hat, dass der Rest der Welt mitlerweile im Jahr 2013 angekommen ist, ist auch diese Nachricht zunächst garnicht bedrohlich für die Netzneutralität.

Was aber nun folgt sind die Regelungen, dass eigene Dienste der Telekom wie zum Beispiel Entertain, Videoload, LigaTotal, etc. nicht in dieses Volumen eingerechnet werden, sprich immer ungedrosselt zur Verfügung stehen.

Drosselung allen nicht konzern-internen Datenverkehrs beim Erreichen der Volumenbegrenzung.
Drosselung allen nicht konzern-internen Datenverkehrs beim Erreichen der Volumenbegrenzung.

Die Deutsche Telekom sollte es besser wissen. Zumindest hätte ich ihr als Aktionär einen vertrauensvollen Umgang mit der Ressource „Internet“ zugetraut.

Was in diesem Fall ein reiner Wettbewerbsvorteil gegenüber der Telekomkonkurrenz ist, kann in dem Augenblick für uns alle gefährlich werden, wenn diese Politik Nachahmer findet. Dann geht es nicht länger um Wettbewerbsvorteile, sondern um politische Meinungsmache, Manipulation und Zensur.

Drosselung von politischen Inhalten und somit Manipulation der Nutzer.
Drosselung von politischen Inhalten und somit Manipulation der Nutzer.

Der Iran hat geschafft, wofür die Telekom heute den Grundstein in Deutschland legt. Massive Behinderungen des freien Informationszugangs und Nutzung eines abgeschotteten, eigenen Intranets zu Propagandazwecken. Momentan erscheint dieser Vergleich tatsächlich noch übertrieben.

Bild5

Ergebnis einer solchen Entwicklung ist auf lange Sicht sicherlich Manipulation durch Vorbehaltung von Informationen.
Zunächst einmal werden wir uns aber damit anfreunden müssen, dass wir im schlimmsten Fall nicht mehr von „dem Internet“ sprechen, sondern von unterschiedlichen Netzen mit unterschiedlichen Inhalten, Geschwindigkeiten und Sperren.

„Guck dir mal das Video hier an!“ – „Geht nicht, ich bin im Telekominternet.“

Was kann ich tun?

Setzt ein Zeichen. Kündigt Eure Verträge und hört auf eine solche Politik zu unterstützen. Wenn wir diesen gefährlichen Trend jetzt ohne Widerstand hinnehmen wird der rosa Riese aus Bonn nicht der einzige bleiben, der dieses Verfahren anwendet. Es ist jetzt an der Zeit durch einen Wechsel zu zeigen, dass man nicht mit diesen Machenschaften einverstanden ist. Es ist an der Zeit zu zeigen, dass man sich nicht durch die fehlgeleitete Politik eines Konzerns in seiner Informationsaufnahme beeinflussen lässt.

Eine weitere Hoffnung ist in meinen Augen die Bundesnetzagentur, die hoffentlich die richtigen Taten folgen lässt, um diese Praktiken auch für zukünftige Informationsdiktatoren im Keim zu ersticken.

Eine weitere Möglichkeit selber aktiv zu werden bieten Petitionen.
Die Petition „Deutsche Telekom AG: Drosselung der Surfgeschwindigkeit stoppen“ auf change.org hat innerhalb weniger Wochen 190.000 Unterstützer gefunden.

Seit dem 22.05. gibt es nun auch eine Petition gegen die Drosselungspläne im ePetition-Portal des Bundestages.
Da ich unsere Politiker für nicht sachverständig genug halte, die Zusammenhänge und die Wichtigkeit der Sache selbst richtig zu erfassen, schaffen wir es zumindest mit unserer Unterzeichnung auf den Stellenwert hinzuweisen den dieses Thema für uns hat. Jede Unterschrift zählt für ein freies, allen zugängliches Internet ohne Sperren und künstliche Barrieren.

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Ich hoffe diese Erklärung ist so einfach geschrieben, dass auch unsere Politiker sie verstehen. Wenn ich das nicht geschafft habe, dann hoffe ich auf die nächste Generation, die mit diesem Medium aufgewachsen ist und die Vorzüge und Gefahren dieser großartigen Erfindung ganzheitlich versteht und sie zu schützen weiss.

Wir verlieren eine großartige Errungenschaft, die, so geht es mir zumindest, aus unserem Alltag nichtmehr wegzudenken ist. Und manchmal da scheint es mir, als wäre das allen egal solange man nicht selber betroffen ist. Das ist die Gefahr. Dieser Prozess der Entmächtigung geschieht schleichend. In Form von DMCA, ACTA, Netzsperren, Drosselungen, Barrieren, Klarnamenzwang und auch der Störerhaftung. Niemand befasst sich damit, es wird ja nur weniges eingeschränkt. Dieses „Wenige“ ist in zwei bis drei Jahren sehr viel.